Modulare Abwasserreinigungsverfahren zur Wasserwiederverwendung in der Landwirtschaft, in der Fischzucht und zur Trinkwassersubstitution
Als dauerhaft verfügbare Ressource ist gereinigtes Abwasser in Zeiten des Klimawandels zu wertvoll, um es ungenutzt in Gewässer einzuleiten. Mit der Verordnung (EU) 2020/741 sind nun Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung geregelt, die ab 26. Juni 2023 auch in Deutschland ihre Gültigkeit erlangen.
Unter Leitung des FiW e.V. wurde in der BMBF-Pilotmaßnahme awaregio die Entwicklung innovativer Schlüsselbausteine für die Wiederverwendung von Abwasser, abwasserbürtiger Nährstoffe und Energie in der Landwirtschaft, in der Fischzucht und zur Trinkwassersubstitution demonstriert und neue Marktchancen für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) in strukturschwachen Regionen eröffnet.
Modulare Pilotanlage zur Wasserwiederverwendung
In Kooperation zwischen Aachener und Leipziger Forschungsinstituten, KMUs aus Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen und der Linksniederrheinischen Entwässerungs-Genossenschaft (LINEG) wurde eine modular aufgebaute, robuste und energiesparende Abwasserreinigung als Pilotanlage mit angeschlossener Aquaponik auf der kommunalen Kläranlage Moers-Gerdt der LINEG geplant, errichtet und betrieben.
Im awaregio-Konzept gelang es, durch den Einsatz eines Anaerobreaktors als Primärreinigung Biogas aus dem Abwasser unter mitteleuropäischen Klimabedingungen zu erzeugen und gleichzeitig den Anfall von Überschussschlamm zu minimieren. Diese Primärreinigung erlaubt eine Reduzierung der organischen Zulauffracht um zweidrittel ohne Energieinput.
Als sekundäre Aufbereitungsverfahren wurden vier alternative Module im Hinblick auf die erzielbaren Produktwasserqualitäten untersucht: ein Bodenfilter (BF), UV-Bestrahlung, Ultrafiltration (UF) und Niederdruck-Umkehrosmose (RO). Der Bodenfilter ist mit den erzielten CSB-Ablaufkonzentrationen und Keimelimination sehr robust und leistungsfähig. Dazu war eine (Teil-)-Entsalzung der so vorgereinigten Kläranlagenabläufen in Niederdruck-RO-Membranen erfolgreich.
Mit Blick auf die Ressourcenschonung ist der geringe Energiebedarf hervorzuheben: Mit dem Bodenfilter als Nachreinigung kann im awaregio-Konzept sogar ein Energieüberschuss erzielt werden. Bei Einbeziehung der energieintensiven Umkehrosmose liegt der Energiebedarf nicht höher als der Mittelwert der kommunalen Kläranlagen in Deutschland (< 34 kWh/(E*a)). Die Entsalzung von gereinigten Abwasser ist energetisch um Faktor 10 günstiger als eine Meerwasserentsalzung.
Erzielte Produktwasserqualitäten
Das awaregio-Konzept erlaubt je nach Art der sekundären Aufbereitung eine Anpassung an verschiedene Anforderungen der landwirtschaftlichen Bewässerung. Zur Bewertung der erzielten Produktwasserqualitäten verschiedener Module wurden Untersuchungen auf akut-toxischen (Alge, Daphnie und Fischembryonen) und Mechanismus-spezifischen Effekten (Zelltoxizität, endokrines, östrogenes, androgenes und mutagenes Potenzial, sowie Dioxin-ähnlichen Wirkung) durchgeführt. Der Verbleib von Schadstoffen wurden mithilfe von Passiv Samplern und Einzelproben untersucht.
Alle drei Qualitäten UV, UF und BF konnten in der Aquaponik genutzt werden. Zudem macht die Niederdruck-RO die Erzeugung von salzarmen Wässern möglich, die prinzipiell für viele weitere Zwecke wieder genutzt werden können – selbst als Ergänzungswasser für die Trinkwasserversorgung in ariden Gebieten.
Verwertung in Deutschland und in der Internationalen Zusammenarbeit
Bei Berücksichtigung entsprechender qualitativer und risikomanagementbezogener Aspekte kann Wasserwiederverwendung in der internationalen Zusammenarbeit, aber auch in Deutschland, einen Beitrag zur Entschärfung von Nutzungskonflikten bzw. Wasserknappheitssituationen leisten. Im Rahmen der Suche nach konfliktarmen Anwendungsfeldern in Deutschland konnte die Bewässerung von Energieholzplantagen identifiziert werden (Kurzumtriebsplantage).
Das awaregio-Konzept eröffnet neue Möglichkeiten der lokalen und regionalen Bewirtschaftung von Wasser- sowie Nährstoff- und Energie-Ressourcen und damit der Generierung neuer Wertschöpfungspotenziale. Ergebnisse aus dem awaregio Projekt fließen international in das BMBF-Projekt WateReTUNe in Tunesien ein.
Ansprechpartner
Dr.-Ing. Henry Riße
+49 241 80 2 68 18 / E-Mail ›
Auftraggeber
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
PROJEKTPARTNER
Linksniederrheinische Entwässerungs-Genossenschaft (LINEG); TERRA URBANA Umlandentwicklungsgesellschaft mbH; A3 Water Solutions GmbH; EvU® – Innovative Umwelttechnik GmbH; Institut für Umweltforschung, RWTH Aachen University; Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig
PUBLIKATION / DOWNLOADS
Riße et al. (2019): Modulare Abwasserreinigungsverfahren zur Wiederverwendung von Wasser, Nährstoffen und Energie als Chance für kleine und mittlere Unternehmen im regionalen Strukturwandel.
Abschlussbericht im BMBF-Verbundvorhaben awaregio, FiW e. V., Aachen (DE)